Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung – Pfändungsfreibetrag



Wri­te an artic­le about the fol­lo­wing infor­ma­ti­on

Die ver­ein­bar­te Über­las­sung eines Dienst­wa­gens zur pri­va­ten Nut­zung ist regel­mä­ßig eine Gegen­leis­tung für die geschul­de­te Arbeits­leis­tung und damit ein Sach­be­zug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO*. Der Wert die­ses Sach­be­zugs beläuft sich grund­sätz­lich auf 1 % des Lis­ten­prei­ses des PKW zzgl. Son­der­aus­stat­tun­gen und Umsatz­steu­er im Zeit­punkt der Erst­zu­las­sung. Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf die­ser Wert aller­dings nicht die Höhe des pfänd­ba­ren Teils des Arbeits­ent­gelts über­stei­gen. Der unpfänd­ba­re Betrag des Ent­gelts muss dem Arbeit­neh­mer in Geld aus­ge­zahlt wer­den. Zur Ermitt­lung des pfänd­ba­ren Teils des Ein­kom­mens sind Geld- und Sach­leis­tun­gen nach den voll­stre­ckungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten zusam­men­zu­rech­nen. Nicht ein­be­zo­gen wird dabei der steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen­de geld­wer­te Vor­teil für die Nut­zung des PKW auf dem Weg von der Woh­nung zum Betrieb in Höhe von monat­lich 0,03 % des Lis­ten­prei­ses für jeden Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter (sog. 0,03 %-Rege­lung).

Der ver­hei­ra­te­te und zwei Kin­dern zum Unter­halt ver­pflich­te­te Klä­ger ist bei der Beklag­ten in der Mar­ke­ting-Abtei­lung beschäf­tigt. Im Lau­fe des Arbeits­ver­hält­nis­ses hat die Beklag­te ihm anstel­le einer Ent­gelt­er­hö­hung einen Dienst­wa­gen auch zur pri­va­ten Nut­zung über­las­sen. Die Ent­gelt­ab­rech­nun­gen des Klä­gers wei­sen neben dem Brut­to­mo­nats­ge­halt (zuletzt 4.285,00 Euro) geld­wer­te Vor­tei­le für die PKW-Nut­zung (445,00 Euro) und die Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter (747,60 Euro) zwi­schen Woh­nung und Arbeits­stät­te (56 km) aus. Aus der Sum­me die­ser drei Beträ­ge hat die Beklag­te nach Abzug von Steu­ern und Sozi­al­ver­si­che­rung das Net­to­ent­gelt und nach wei­te­rem Abzug der bei­den geld­wer­ten Vor­tei­le den Aus­zah­lungs­be­trag errech­net.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger – soweit für das Revi­si­ons­ver­fah­ren noch von Rele­vanz – Ver­gü­tungs­dif­fe­ren­zen im Net­to­ent­gelt iHv. 29.639,14 Euro für die Zeit von Janu­ar 2017 bis April 2020 ver­langt. Er hat gel­tend gemacht, bei Zah­lung der Ver­gü­tung, die neben Geld auch den Sach­be­zug der Pri­vat­nut­zungs­mög­lich­keit des PKW umfas­se, sei­en die Pfän­dungs­gren­zen, die sich aus drei Unter­halts­pflich­ten ergä­ben, nicht beach­tet wor­den.

Das Arbeits­ge­richt hat die Kla­ge inso­weit abge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Beru­fung des Klä­gers das Urteil des Arbeits­ge­richts abge­än­dert und die Beklag­te zur Zah­lung der gefor­der­ten Net­to­ver­gü­tungs­dif­fe­ren­zen ver­ur­teilt.

Die hier­ge­gen gerich­te­te, vom Senat nach­träg­lich zuge­las­se­ne Revi­si­on der Beklag­ten hat­te vor dem Fünf­ten Senat des Bun­des­ar­beits­ge­richts Erfolg. Das Beru­fungs­ge­richt hat bei der Berech­nung des pfänd­ba­ren Ein­kom­mens iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu Unrecht den nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG** zu bemes­sen­den Wert für die Nut­zung des über­las­se­nen Fahr­zeugs für den Weg von der Woh­nung zur Arbeits­stät­te ein­be­zo­gen. Zur Berech­nung des pfänd­ba­ren Ein­kom­mens sind nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO*** Geld- und Natu­ral­leis­tun­gen zusam­men­zu­rech­nen. Zu Letz­te­ren gehört die Über­las­sung eines dienst­li­chen PKW zur pri­va­ten Nut­zung. Der Wert beträgt 1 % des Lis­ten­prei­ses. Kei­ne Natu­ral­leis­tung iSd. voll­stre­ckungs­recht­li­chen Bestim­mung stellt der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG anzu­set­zen­de geld­wer­te Vor­teil für die Nut­zung des Fahr­zeugs auf dem Weg von der Woh­nung zum Betrieb in Höhe von monat­lich 0,03 % des Lis­ten­prei­ses für jeden Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter dar. Hier­bei han­delt es sich nicht um einen Sach­be­zug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO, son­dern um einen steu­er­recht­lich rele­van­ten Kor­rek­tur­pos­ten für den pau­scha­len Wer­bungs­kos­ten­ab­zug. Er ist daher bei der Berech­nung des pfänd­ba­ren Ein­kom­mens nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO nicht ein­zu­be­zie­hen. Von dem – somit nied­ri­ger als vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ange­nom­men – anzu­set­zen­den Betrag sind gem. § 850e Nr. 1 ZPO Steu­ern und Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge in Abzug zu brin­gen. Aus dem so ermit­tel­ten pfänd­ba­ren Ein­kom­men sind sodann nach Maß­ga­be von § 850c ZPO und der ein­schlä­gi­gen Pfän­dungs­frei­gren­zen­be­kannt­ma­chun­gen die Pfän­dungs­gren­zen zu ermit­teln. Dabei ist Abs. 6 die­ser Rege­lung, wonach nach bil­li­gem Ermes­sen Ein­künf­te der unter­halts­be­rech­tig­ten Per­son (hier des Ehe­gat­ten) ganz oder teil­wei­se berück­sich­tigt wer­den kön­nen, ent­spre­chend anzu­wen­den. Nach­dem das Lan­des­ar­beits­ge­richt hier­zu kei­ne Fest­stel­lun­gen getrof­fen hat und auch die für die Berech­nung der Steu­ern und Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge erfor­der­li­chen Tat­sa­chen vom Beru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt wor­den sind, war die Sache zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen.

Bun­des­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 273/22 –
Vor­in­stanz: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen, Urteil vom 8. Febru­ar 2022 – 9 Sa 407/21 –

*§ 107 Abs. 2 GewO lau­tet:

„(2) Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer kön­nen Sach­be­zü­ge als Teil des Arbeits­ent­gelts ver­ein­ba­ren, wenn dies dem Inter­es­se des Arbeit­neh­mers oder der Eigen­art des Arbeits­ver­hält­nis­ses ent­spricht. Der Arbeit­ge­ber darf dem Arbeit­neh­mer kei­ne Waren auf Kre­dit über­las­sen. Er darf ihm nach Ver­ein­ba­rung Waren in Anrech­nung auf das Arbeits­ent­gelt über­las­sen, wenn die Anrech­nung zu den durch­schnitt­li­chen Selbst­kos­ten erfolgt. Die geleis­te­ten Gegen­stän­de müs­sen mitt­le­rer Art und Güte sein, soweit nicht aus­drück­lich eine ande­re Ver­ein­ba­rung getrof­fen wor­den ist. Der Wert der ver­ein­bar­ten Sach­be­zü­ge oder die Anrech­nung der über­las­se­nen Waren auf das Arbeits­ent­gelt darf die Höhe des pfänd­ba­ren Teils des Arbeits­ent­gelts nicht über­stei­gen.“

**§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG lau­tet:

„Kann das Kraft­fahr­zeug auch für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und ers­ter Tätig­keits­stät­te sowie Fahr­ten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Num­mer 4a Satz 3 genutzt wer­den, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalen­der­mo­nat um 0,03 Pro­zent des Lis­ten­prei­ses im Sin­ne des § 6 Absatz 1 Num­mer 4 Satz 2 für jeden Kilo­me­ter der Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und ers­ter Tätig­keits-stät­te sowie der Fahr­ten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Num­mer 4a Satz 3.“

***§ 850e Nr. 1 und Nr. 3 ZPO lau­tet:

„Für die Berech­nung des pfänd­ba­ren Arbeits­ein­kom­mens gilt Fol­gen­des:

1. Nicht mit­zu­rech­nen sind die nach § 850a der Pfän­dung ent­zo­ge­nen Bezü­ge, fer­ner Beträ­ge, die unmit­tel­bar auf Grund steu­er­recht­li­cher oder sozi­al­recht­li­cher Vor­schrif­ten zur Erfül­lung gesetz­li­cher Ver­pflich­tun­gen des Schuld­ners abzu­füh­ren sind.

3. Erhält der Schuld­ner neben sei­nem in Geld zahl­ba­ren Ein­kom­men auch Natu­ral­leis­tun­gen, so sind Geld- und Natu­ral­leis­tun­gen zusam­men­zu­rech­nen. …“



Source link

Schlagwörter: