Der Arbeitsstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram



Das Bun­desver­fas­sungs­gericht hat in einem Urteil vom 25. April 2023 (Akten­ze­ichen: 9 AZR 253/22) entsch­ieden, dass das ver­fas­sungsrechtlich gewährleis­tete Selb­st­bes­tim­mungsrecht von Reli­gions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften nur von einem Vere­in in Anspruch genom­men wer­den kann, der ein hin­re­ichen­des Maß an religiös­er Sys­tem­bil­dung und Welt­deu­tung aufweist. Andern­falls ist es ihm unter­sagt, mit seinen Mit­gliedern außer­halb eines Arbeitsver­hält­niss­es fremdbes­timmte, weisungs­ge­bun­dene Arbeit in per­sön­lich­er Abhängigkeit zu vere­in­baren, es sei denn, diese sind ähn­lich einem Arbeit­nehmer sozial geschützt.

Der Beklagte in diesem Fall ist ein gemein­nütziger Vere­in, der Yoga- und ver­wandte Diszi­plinen ver­bre­it­et und die Reli­gion fördert. Dort gibt es soge­nan­nte Seva­ka-Gemein­schaften, in denen Vere­in­sange­hörige zusam­men­leben und sich der Übung und Ver­bre­itung der Yoga Vidya Lehre wid­men. Die Sevakas haben die Verpflich­tung, nach Weisun­gen ihrer Vorge­set­zten Sevazeit zu leis­ten, was Tätigkeit­en im Bere­ich der Küche, des Haushalts, des Gartens, der Wer­bung, der Buch­hal­tung, der Bou­tique usw. umfasst. Zusät­zlich geben sie Yogaun­ter­richt und leit­en Sem­i­nare. Der Beklagte stellt den Sevakas Unterkun­ft, Verpfle­gung und ein monatlich­es Taschen­geld zur Ver­fü­gung. Die Sevakas sind geset­zlich kranken‑, arbeitslosen‑, renten- und pflegev­er­sichert und erhal­ten eine zusät­zliche Altersversorgung.

Die Klägerin, eine Volljuristin, war Mit­glied des Beklagten und leis­tete dort Seva­di­en­ste. Sie argu­men­tierte, dass zwis­chen ihnen ein Arbeitsver­hält­nis bestanden habe, und ver­langte den geset­zlichen Min­dest­lohn für die Zeit ab dem 1. Jan­u­ar 2017. Das Arbeits­gericht gab der Klage statt, während das Lan­desar­beits­gericht sie auf die Beru­fung des Beklagten abwies. Die Klägerin legte Revi­sion ein und hat­te vor dem Neun­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts Erfolg. Das Gericht entsch­ied, dass die Klägerin als Arbeit­nehmerin des Beklagten anzuse­hen ist und somit Anspruch auf den geset­zlichen Min­dest­lohn hat. Wed­er die beson­deren Gestal­tungsrechte von Reli­gions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften noch die Vere­in­sau­tonomie ste­hen der Arbeit­nehmereigen­schaft entgegen.

Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte wed­er eine Reli­gions- noch eine Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft ist, da ihm das erforder­liche Min­dest­maß an Sys­tem­bil­dung und Welt­deu­tung fehlt. Obwohl der Beklagte in sein­er Satzung auf Weisheit­slehren, Philoso­phien und Prak­tiken aus ver­schiede­nen Kul­turen und Reli­gio­nen Bezug nimmt, ist ein sys­temis­ches Gesamt­ge­füge religiös­er bzw. weltan­schaulich­er Ele­mente und deren Verbindung zur Yoga Vidya Lehre nicht aus­re­ichend erkennbar.

Auch die Vere­in­sau­tonomie erlaubt es nicht, fremdbes­timmte, weisungs­ge­bun­dene Arbeit­sleis­tun­gen in per­sön­lich­er Abhängigkeit außer­halb eines Arbeitsver­hält­niss­es zu erbrin­gen, es sei denn, zwin­gende arbeit­srechtliche Schutzbes­tim­mungen wer­den einge­hal­ten. Dazu gehört auch die Garantie eines all­ge­meinen geset­zlichen Min­dest­lohns, der nicht auf Kosten für Unterkun­ft und Verpfle­gung angerech­net wer­den kann. Dieser Min­dest­lohn soll die Exis­ten­zsicherung durch Arbeit­seinkom­men gewährleis­ten und ist ein Aus­druck der Menschenwürde.

Der Neunte Sen­at kon­nte über die Höhe des Min­dest­lohnanspruchs der Klägerin auf­grund der vor­liegen­den Fest­stel­lun­gen nicht abschließend entschei­den und hat den Rechtsstre­it an das Lan­desar­beits­gericht zurückverwiesen.

Diese Entschei­dung des Bun­de­sar­beits­gerichts ist von großer Bedeu­tung, da sie Klarheit darüber schafft, dass religiöse und weltan­schauliche Vere­ine bes­timmte Anforderun­gen erfüllen müssen, um das Selb­st­bes­tim­mungsrecht in Bezug auf die Arbeitsver­hält­nisse ihrer Mit­glieder gel­tend machen zu kön­nen. Es bleibt abzuwarten, ob weit­ere ähn­lich gelagerte Rechtssachen zu ähn­lichen Ergeb­nis­sen führen werden.



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